Die Geschichte der Musikalischen Gesellschaft Breinig

Wie aus unserem Namen hervorgeht, besteht die Musikalische Gesellschaft Breinig seit weit über einhundert Jahren. Sie hat somit eine sehr bewegte und komplexe Vergangenheit, die sich nur schwer zusammenfassen lässt - erst Recht in wenigen Worten. Daher erfordert das Lesen der folgenden Vereinshistorie ein wenig "Sitzfleisch", entlohnt jedoch mit einem tiefen Einblick in die interessante Entstehung unseres Orchesters.

Viel Freude beim Lesen!



Vor [weit mehr als] hundert Jahren […] wurde die „Musikalische Gesellschaft Breinig“ gegründet. […] Daß von den [14] Vereinsgründern allein elf den Namen Beißel tragen und vier davon durch einen Zusatz betonen, Nachkommen von Bartholomäus Beißel zu sein, zeigt deutlich, daß hier im geschichtlichen Sinn nicht eine Gründung vorgelegen hat, sondern eine öffentlich rechtliche Anerkennung einer bereits bestehenden Musikergemeinschaft. Historisch belegt ist auch tatsächlich, daß es zwei Privatkapellen schon lange vorher in Breinig gab - die WinkhoId'sche und die Beißelsche. […]
Ihre Kapellen wurden geradezu nach [den Gründern] benannt. Die Winkhold hießen „die Trappe“, hergeleitet von der hohen Treppe, die der Gaststätte der Winkhold vorgelagert war. Bei den Beißel trug einer den Vornamen Bartholomäus, mundartlich Mies, woraus die Verkleinerungsform Mies‘jen wurde, wonach die Kapelle „die Mies‘jens“ beibenannt worden ist. […]
Nicht nur in Breinig und näherer Umgebung waren die Kapellen unter diesen Beinamen bekannt. Auch in den Nachbarkreisen Düren, Schleiden und Monschau, ja selbst in dem entfernten Kreise Euskirchen schätzte man sie, wenn es galt, ein Fest musikalisch zu umrahmen. Ein Beispiel für ihre Wertschätzung mag für viele genannt sein: Als am Abend des 5. September 1880 in Zweifall die belgische Königin zu kurzem Aufenthalt eingekehrt war, wurde deren musikalische Ehrung unseren Breiniger Musikern anvertraut.

Kamen die Winkholds […] aus der Fremde, so waren die „Mies'jens" eine urbreiniger Familie, die viele Linien gebildet hatte, da sie schon im 17. Jahrhundert in Breinig nachweisbar ist. Entfernte Nachkommen des alten Mies Beissel hüten noch heute […] ein bedeutsames Zeugnis, daß die Mies‘jens schon damals mehr waren als „Dorfkirmes-Musikanten“. Sie spielten nämlich klassische Sakralmusik. Außerdem findet man in dem Buch die Adressen zweier lnstrumentenbauer aus Regensburg und Hannover - doch wohl ein Beweis, daß die Mies'jens auch in puncto Instrumente anspruchsvoll waren.

Allerdings ist es richtig, daß beide Musikerfamilien […] durch Generationen im weiten Umkreis bei allen ländlichen Festen als Tanzmusikveranstaltungen sehr begehrt waren.

[…]

Wenn die „Musikalische Gesellschaft" also nur ein [mehr als] hundertjähriges Jubiläum feiert, so ist es, historisch gesehen, eigentlich bescheiden. Denn die Gründer […] werden schon sehr früh dokumentarisch nachweisbar erwähnt. Es war am 6. Februar 1881, als unter der maßgeblichen Führung der oben erwähnten Familie Beíßel die Musikalische Gesellschaft zu Breinig gegründet wurde.[…] Wir wissen nicht, wann die Kapelle der Winkhold unserer Gesellschaft beigetreten ist; sicher ist nur, daß dies 1894 bereits geschehen war. […]Gewiß ist, daß es in Breinig keine musikalische Veranstaltung gegeben hat, die nicht von unserer Gesellschaft oder wenigstens einzelnen ihrer Mitglieder maßgeblich gestaltet worden ist.

[…]

Der erste Weltkrieg unterbrach jegliche Vereinstätigkeit, und auch die ersten furchtbaren Notjahre des Nachkriegs wirkten lähmend.

Die Vereinsgründer waren entweder verstorben oder aus Altersgründen ausgeschieden, junger Nachwuchs fehlte. Ein Stamm älterer Musiker aber hielt die Tradition aufrecht. Dem Bruderverein „Instrumentalverein Komelimünster“, im Jahre 1898 als eine Neugründung des dort seit 1883 bestehenden Vereins „Gesellschaft Harmonie“ entstanden, erging es ähnlich.

Durch Leonhard Düx, der schon vor 1914 in Breinig musikalisch aktiv wurde, bestanden Beziehungen zu dem [Verein aus Kornelimünster] […]. Am 21. August 1924 fanden sich die verbliebenen Spielerstämme aus Breinig und Kornelimünster zusammen und traten [vorerst] unter dem Namen „Musikalische Gesellschaft Kornelimünster-Breinig“ auf. [Die Leitung hatte Leonard Düx].


Mit zweijähriger Verspätung beging man 1933 das fünfzigjährige Jubiläum. Dabei konnte man bereits Konzertaufführungen für ein Streicher- und ein Bläserorchester wagen. […]

Noch im selben Jahre […] sollte die Gesellschaft den Musikdienst für die SA übernehmen. Doch gelang es ihr schon 1934 sich davon zu befreien und gewissermaßen als Musikkorps der [Freiwilligen] Feuerwehr [Kornelimünster] in einem „neutraleren" Bereich unterzuschlüpfen.


Der zweite Weltkrieg 1939 unterbrach wiederum das Vereinsleben der Gesellschaft, weil manche Mitglieder zum Wehrdienst berufen wurden [und es auch in unseren Reihen Opfer des Krieges zu beklagen gab]. Erst am 25. Februar 1948 - aber noch vor der „Währungsreform“ und der Gründung der Bundesrepublik - fanden sich Unentwegte in der Gaststätte Recker ein zu einem fruchtbaren Neubeginn. Die Brüder Leonhard und Karl Düx waren es wieder, die als Vorsitzender bzw. Dirigent diesen Anfang machten. […]Dafür kamen aber schon im selben Jahr junge begeisterte Musiker zum alten Traditionsstamm. Schon in den dreißiger Jahren hatte der bis heute unvergessene langjährige Schulrektor [der Breiniger Volksschule]Wilhelm Kranzhoff seine musikbegabten Schüler zu einem leistungsfähigen Schulorchester [gegründet 1927, zusammen mit einem Schülerchor] herangebildet [siehe Foto]. Nun erbten die späten Nachkommen der „Mies‘jens“ und Winkholds die Früchte seiner überaus lobenswerten Mühen.

Noch im gleichen Jahre wuchs das Orchester auf 17 Personen an, verjüngt durch neue Kräfte […]. Im folgenden Jahre wurde [der aus dem Kranzhoffschen Schulorchester stammende] Musiklehrer Albert Beißel einstimmig zum musikalischen Leiter gewählt […]. Unter seiner Stabführung errang die Gesellschaft einen gewaltigen Aufschwung. […] Besonders hervorgehoben werden muß das unermüdliche, selbstlose und fleißige Schaffen unseres Dirigenten Beißel; seinem musikalischen Können insbesondere verdankt unsere Gesellschaft Ansehen und Erfolg.


[…] Er sollte dieses Amt mit großem Erfolg bis 1973 behalten. Und auch da trat er nur ab, um den Stab in die jüngeren Hände seines Sohnes, Dieter Beißel, zu legen. Der Geschichtsschreiber kann hier nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß seit dem frühesten Beginn bekanntgewordenen Musiklebens in Breinig über die offizielle Gesellschaftsgründung hinweg - die wir in diesem Jahre feiern - bis auf den heutigen Tag maßgebend der Name Beißel gestanden hat. […] Daß der weltbekannte Chordirigent Wilhelm Pitz nicht nur als Jugendlicher in unserem Kreise seine ersten musikalischen Aktivitäten entwickelte, sondern auch allezeit bis auf die Höhen seines Ruhms unserer Gesellschaft immer herzlich verbunden blieb, dürfen wir an dieser Stelle mit berechtigtem Stolz erwähnen.

[…]

Ungemein vielfältig war das Repertoire, das in vielen Konzertveranstaltungen in Breinig und Umgebung einem treuen und begeisterten Publikum [bisher] geboten wurde. Breitgefächert reichte es von der Wiener Walzerseligkeit über flotte Operetten und ernste Opernmusik bis in das Reich der Klassik und der musica sacra. […]

Mit einem festlichen Konzert feierte Albert Beißel sein 25jähriges Dirigenten-Jubiläum und seinen Abschied vom Amt. Seitdem steht das Orchester unter der Leitung seines Sohnes Dieter, der bis dahin Konzertmeister gewesen war. Dieter Beißel hat eine besondere Neigung zur klassischen und zur Kirchenmusik und konnte seine Musiker auf diesem Gebiet bereits zu sehr beachtlichen Erfolgen führen. Sein erstes Konzert in dieser Richtung war dem berühmten, aus Breinig kommenden Chordirektor Wilhelm Pitz gewidmet, der erst kurz vorher verstorben war. Es fand in der Breiniger Pfarrkirche St. Barbara statt. Das Orchester spielte die Londoner Symphonie Nr. 104 von Joseph Haydn und Dieter Beißel als Solist das 2. Violinkonzert in G-dur des gleichen Meisters. Ein weiterer Höhepunkt sei noch erwähnt, die Aufführung der Markus-Passion von Joh. Seb. Bach in der Breiniger Kirche am 27. März 1977.


Somit kann der geschichtliche Rückblick wohl in einem optimistischen Ausblick in fernere Zukunft ausklingen. Mit einem freudig mitmachenden Spielerstamm, der alle Lebensalter umfaßt, und mit einem […], talentierten Dirigenten, der aus alter Familientradition gewachsen ist, kann die „Musikalische Gesellschaft Breinig“ getrost in das zweite Jahrhundert gehen.

An dieser Stelle möchte [die Musikalische Gesellschaft Breinig] aber auch eine Bitte aussprechen: Kommt zu uns, ihr musikbeflissenen jungen Menschen, stärkt immer wieder unsere Reihen, euch zur Freude und Erholung, […] helft, die alte Breiniger Tradition auf unabsehbare Zeiten zu sichern.

 

Verfasst von F. J. Duisberg, J. Röntgen; zusammengetragen und ergänzt von J. Beißel